Buchempfehlungen: Das lesen unsere Expert*innen

Kennen Sie folgenden Moment? Sie sind im Zug unterwegs, sehen andere Menschen beim Lesen und schielen auf deren Buchdeckel? Wir finden es äusserst spannend und inspirierend, was andere Menschen lesen.

Darum schielen wir auf die Buchdeckel von unseren Expert*innen. Wir fragen sie nach Buchempfehlungen respektive nach ihren Lieblingsbüchern. Ihre Antworten teilen wir mit Ihnen auf dieser Seite. 

Bernd Schildger

Wie wollen wir leben?
von Peter Bieri

Bernd Schildger: Nein, kein schwer verdaulicher Schinken zur analytischen Philosophie aus Bieris Feder, sondern ein kleines, feines und leicht konsumierbares Büchlein. Angenehm zu lesen und dennoch tiefgründig, beschäftigt sich Bieri mit der Essenz eines würdigen, freien Lebens. Nicht nur das eigene Leben lässt sich so aus einer neuen Perspektive betrachten, auch die Menschen und Kulturen in unseren Gastländern auf den Reisen mit Background Tours können mit frischem Blick wahrgenommen werden. Nachdenklichkeit schadet nicht – sie bereichert das Reisen sogar. Für die Neugierigen: Nicht jeder kennt den renommierten Schweizer Philosophen Peter Bieri, der in Berlin lehrte und lebte. Viele jedoch kennen sein Pseudonym Pascal Mercier, unter dem er Romane wie «Nachtzug nach Lissabon» oder «Perlmanns Schweigen» schrieb.

Linda Rudin

Der Gesang der Azoren
von Carlos Ávila de Borba

Linda Rudin: Vor einer Azoren-Reise hat mir eine Freundin dieses Buch geschenkt. Leicht zu lesen und atmosphärisch geschrieben, ist dieser Roman die perfekte Reiselektüre für Azoren-Liebhaber*innen – und alle, die es noch werden wollen. Der Roman zeichnet ein eindrückliches Bild des früheren Lebens auf den Azoren, als die Männer noch mit kleinen Booten auf Pottwaljagd gingen. Es war ein gefährliches Unterfangen, zugleich aber eine tief verwurzelte Tradition, die viele trotz des internationalen Walfangverbots nicht aufgeben wollten. Der Autor Carlos Ávila de Borba ist gebürtiger Azoreaner und hat das Ende des traditionellen Walfangs selbst miterlebt. Sein Roman ist eine Liebeserklärung an seine Heimat, eine Dokumentation eines gesellschaftlichen Umbruchs und die Geschichte einer jungen Liebe.

Patrick Rohr

Live aus der Ukraine
von Luzia Tschirky

Patrick Rohr: Engagiert und mit journalistischer Klarheit beschreibt Luzia Tschirky, ehemalige Moskau-Korrespondentin des SRF, wie sie den Ausbruch und die ersten Monate des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine erlebt hat. Ungeschönt schildert sie die Grausamkeit dieses sinnlosen Krieges – und den Zwiespalt, der sie erfasst, wenn sie in Polen oder in der Schweiz Schutz findet, während ihr ukrainischer Kameramann in seiner Heimat bleiben muss. In Rückblenden erzählt sie ausserdem, wie sie als Journalistin, die stets auch den Schwachen eine Stimme gibt, die Repression in Russland und im Nachbarstaat Belarus erlebt hat. Ich habe das Buch in einem Zug durchgelesen. Hut ab vor dieser mutigen Frau, die Journalismus nicht nur als Berichterstattung, sondern auch als Mission für eine bessere Welt versteht.

Thomas Kolly

Magellan. Der Mann und seine Tat
von Stefan Zweig

Thomas Kolly: Der Roman beschreibt die erste historisch belegte Erdumrundung (1519-22). Die Expedition stand unter dem Befehl des portugiesischen Ritters und Seefahrers Ferdinand Magellan und wurde vom spanischen König finanziert. In Südamerika findet Magellan nach langer Suche die Passage vom Atlantik zum Pazifik. Nach einer entbehrungsreichen Überfahrt erreicht die Flotte das Land, das Magellan zu Ehren des spanischen Königs «Philippinen» nennen wird. Doch das Glück ist Magellan auf den Philippinen nicht hold: er fällt im Kampf gegen einheimische Stämme. Nur eines der ursprünglich fünf Schiffe kehrt nach fast drei Jahren in den Ausgangshafen Sanlúcar de Barrameda im Süden Spaniens zurück. Das Buch zeigt eindrückliche, wie der Mensch fähig ist, ungeheure Kräfte zu entwickeln und über sich hinauszuwachsen.

Heiner Walther

Herrinnen des Mondes
von Jokha Alharthi

Heiner Walther: Schauplatz des Romans ist Al-Awafi, ein fiktiver Ort im Landesinnern Omans und die Heimat dreier Schwestern: Mayya, die, wenn auch widerwillig, die Ehe mit dem Sohn eines vermögenden Kaufmanns eingeht. Asma, die aus Pflichtgefühl einen selbstverliebten Künstler heiratet und Khaula, die sehnsüchtig auf ihren nach Kanada ausgewanderten Geliebten wartet, der sie nur alle Jahre zuhause besucht. Drei Frauen und drei Blickwinkel auf Oman, dessen noch weitgehend traditionell geprägte Gesellschaft nach und nach ihren Weg in die Moderne findet und sich neu definieren muss – wie die drei Schwestern auch. Die Autorin, die ich persönlich kenne, schreibt einfühlsam und zugleich spannend, mit zahlreichen Rückblenden in die Geschichte Omans sowie lebendigen Schilderungen von Sitten und Gebräuchen.

Pascal Nufer

Yellowface
von Rebecca F. Kuang

Pascal Nufer: Selten hat mich ein Hauptcharakter eines Buches so lange gleichzeitig fasziniert, angeekelt und zu Mitleid gerührt, wie June Hayward im neusten Roman von Rebecca F. Kuang. Der Bestseller-Roman der sino-chinesischen Autorin hat Tiefe und viel Drive. Die 28-jährige Amerikanerin mit chinesischen Wurzeln schreibt über Rassismus, Neid, Gier und Anerkennungssucht und dies in einer Art, bei der man sich als Leser immer wieder selbst bei Verharmlosungsversuchen derselben ertappt.

Athena Liu ist schön, gescheit, erfolgreich und der neue Shootingstar der amerikanischen Literaturszene – und sie ist Asiatin. Ihre Kommilitonin June Hayward hingegen ist weiss, erfolglos und furchtbar neidisch auf ihr grosses Idol.

Als der Shooting-Star der Literaturszene einen überraschenden und grotesken Tod stirbt, wittert June ihre grosse Chance: Sie stiehlt das unveröffentlichte Manuskript der Bestseller-Autorin, redigiert und beendet es – und landet ihren ersten Hit. Gleichzeitig beginnt ein Kampf zwischen Lügen und Rechtfertigung, Selbstzweifel und einer bitterbösen Abrechnung mit der Literaturbranche.

Beinahe nebenbei entsteht durch die Geschichte der beiden Protagonistinnen auch ein kritischer Blick auf den wachsenden amerikanischen Rassismus gegen Asiat*innen.

Jackie Helfenberger

Frauenwunderland
von Barbara Achermann

Jackie Helfenberger: Das Buch der stv. Chefredaktorin «Magazin» erzählt die inspirierende Geschichte von Ruandas Wiederaufbau, der vor allem durch die Kraft und den Mut seiner Frauen möglich wurde.

Vor zwanzig Jahren waren sie nahezu rechtlos, heute prägen sie das Land: Sie stellen die Mehrheit im Parlament und führen über die Hälfte der Unternehmen. Ohne ihren unermüdlichen Einsatz wäre Ruandas rasantes Wirtschaftswachstum und gesellschaftlicher Wandel undenkbar.

Im Mittelpunkt stehen beeindruckende Frauenportraits, die zeigen, wie sie ihr Land aus den Trümmern des Völkermords im Jahr 1994 zu neuem Leben führten. Das Buch öffnet den Blick für ein starkes, zukunftsweisendes Afrika.

Urs Allenspach

Die Schuldigen von Rotten Row
von Petina Gappah

Urs Allenspach: Rotten Row ist eine Strasse westlich des Stadtzentrums in Zimbabwes Hauptstadt Harare. In zwanzig Kurzgeschichten schildert Petina Gappah das quirlige City-Leben in mächtigen, frechen, witzigen und empathischen Worten. Die Spannungen in und zwischen den Stadtbewohner*innen führen zu diversen Konflikten und Straftaten, welche in der Folge im Gericht am Rotten Row verhandelt werden müssen.

Das Schicksal des seit Jahren leidenden Staates und die traurigen Erfahrungen der Bevölkerung spiegeln sich in diesen in sich verknüpften Geschichten wider. Sie deuten zwar ein gemeinsames Erbe an, schildern wie die Frauen ein Auseinanderdriften der Familien und der Gesellschaft zu verlangsamen suchen, zeigen aber trotz nach aussen getragener Lebensfreude auch eine allgemeine Ermüdung und Ernüchterung auf.

Claudio Rossetti

Ein Traum wird wahr. Nach Venedig auf Wasserwegen
von Claudio Rossetti

Claudio Rossetti: Zweifellos lese ich sehr gerne, besonders über Reisen und Kulturen aus nah und fern. Mein Lieblingsbuch ist jedoch mein eigenes Werk über die historische Wasserstrasse von Locarno nach Venedig, auf das ich besonders stolz bin.

Schon von klein auf träumte ich davon, auf dem Wasserweg von den Alpen bis zum Meer zu gelangen. Damals hatte ich mir ein ungewöhnliches Boot ausgedacht: ein Floss mit einem Bretterboden, getragen von sechs Fässern. Ich war etwa zehn Jahre alt. Von diesem Projekt blieb schliesslich nur eine Zeichnung auf einem alten Blatt Papier, das inzwischen irgendwo verloren gegangen ist. Mit der Zeit habe ich meinen Traum von der Flussschifffahrt aus den Augen verloren.

Erst 2007, auf meiner ersten Reise von Locarno nach Venedig, erinnerte ich mich wieder daran. Gemeinsam mit einem Fotografen unternahm ich diese Reise auf einem Fischerboot namens «Utopia» bis zur Serenissima, um dort den Bürgermeister und Philosophen Massimo Cacciari zu treffen. Seitdem sind einige Jahre vergangen, doch meine Leidenschaft für Flüsse und ihre Strömungen ist geblieben.

Ein Wassertropfen benötigt etwa neuneinhalb Wochen, um von der Quelle des Ticino bis zur venezianischen Lagune zu gelangen. Einen Tropfen bis ins Meer zu bringen, ist voller Symbolik und trägt doch nur eine Botschaft: Auf einem Weg voller symbolischer Bedeutung gilt es, zahlreiche architektonische und mentale Barrieren zu überwinden.

Rudolf Hug

Tiergeschichten aus aller Welt (Band 3)
von Rudolf Hug

Rudolf Hug: Ein trockener Text berührt und bewegt niemanden. Geschichten dagegen schon. Geschichten sind die älteste Form des Austauschs von Erfahrungen, Emotionen und Informationen. Erst recht, wenn sie anschaulich illustriert sind, denn Bilder sagen mehr als tausend Worte. 

Auf meinen Reisen erzähle ich als «Bettmümpfeli» jeweils eine oder auch zwei solcher Geschichten, passend zum Erlebten, manchmal auch um Sehnsucht zu wecken. Die Reaktionen meiner Gäste zeigen mir jeweils, dass sie von den Geschichten berührt und bewegt sind.

In «Tiergeschichten aus aller Welt», Band 3, sind 26 Geschichten zusammengefasst. Ergänzt mit Bildern der Landschaften und vielen Details. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen, oder machen Sie anderen eine Freude, indem Sie ein Buch verschenken oder die Geschichten erzählen und so für die Schönheiten der Natur begeistern.

Birgit Lutz

Die Expedition.
Eine Liebesgeschichte (2016) von Bea Uusma

Birgit Lutz: Die Andrée-Expedition ist eine meiner arktischen Lieblingsgeschichten. Weil sie alles hat: Spannung, Entdeckergeist, eine Prise Verrücktheit, Mysterium, und obendrauf auch noch eine ganz und gar phänomenale Liebesgeschichte.

Es ist die Geschichte eines grossen Rätsels im ewigen Eis: Drei Männer aus Stockholm, die mit einem Heissluftballon auf dem Weg zum Nordpol verschwinden. Die Reste ihres Lagers werden 33 Jahre später gefunden, eingefroren auf einer unbewohnten Insel mitten im Eismeer.

Was ist damals geschehen? Bea Uusma vergräbt sich in alle Spuren dieser tragischen Unternehmung, analysiert Tagebücher, forscht in Archiven, wird immer besessener, weil sie überzeugt ist: Die Lösung des Rätsels liegt vor ihr, sie muss sie nur sehen.

Christian Wenker

Eine Nacht in Bari (2010)
von Gianrico Carofiglio

Christian Wenker: Es ist eine Liebeserklärung meines Lieblingsschriftstellers an seine Heimat. Beklemmend, gleichzeitig wunderschön!

Wilfried König

Der stille Amerikaner (1955)
von Graham Greene

Wilfried König: Spannend wie ein Krimi gibt das Buch Einblicke in die Geschichte Vietnams und in die menschliche Psyche in Konfliktsituationen.

Saigon Anfang der 1950er Jahre. Thomas Fowler, ein vom Älterwerden desillusionierter, zynischer, gleichwohl sympathischer, englischer Journalist berichtet aus Südvietnam über die verworrene Situation des noch nicht erfolgten Abzugs der Franzosen und des Erstarkens der patriotisch-kommunistischen Vietminh.

Fowler, dessen in England lebende Frau sich nicht von ihm scheiden lassen will, lebt mit Phuong, einer jungen Vietnamesin zusammen, als er auf den Amerikaner Pyle trifft. Der ist angeblich für eine humanitäre Organisation im Land, tatsächlich will er jedoch eine «fünfte Kolonne» aufbauen, um durch Bombenattentate, die den Vietminh in die Schuhe geschoben werden, für Unruhe zu sorgen.

Pyle, der sich mit Fowler anfreundet, verliebt sich in Phuong, die Sicherheit sucht und auf dessen Werben eingeht. Fowler ist am Boden zerstört und nimmt den Vorschlag eines ihm bekannten Vietminh Agenten an, eine Lösung zu finden.