Leidenschaftliche Gastgeber: Hamid El Kinani und Lavinja Birnbaum Keller im «Barbès» in Luzern. © Evelyn Hebeisen
Leidenschaftliche Gastgeber: Hamid El Kinani und Lavinja Birnbaum Keller im «Barbès» in Luzern. © Evelyn Hebeisen

Weltküche «Marokkanisches Mosaik»

von Jeannine Keller

Lavinja Birnbaum Keller und Hamid El Kinani bringen seit 13 Jahren marokkanische Esskultur in die Zentralschweiz. Bei einem Couscous im Luzerner «Barbès» lässt es sich wunderbar in den Süden träumen.

Im März 1988 kam Hamid in die Schweiz, noch ganz genau wisse er das, erzählt er. «Marokko ist mein Vater und die Schweiz meine Mutter. Wenn sie sich scheiden liessen, dann könnte ich nicht sagen, ob ich dort oder hier sein wollte. In Luzern bin ich zu Hause, aber ich vergesse nicht, dass ich Marokkaner bin», sagt der 57-Jährige.

Orientalische Lampen werfen Lichtarabesken an die Wand. In der Küche hantiert Lavinja mit Geschirr. Die 41-Jährige mit Schweizer und schwedischen Eltern ist in Schweden aufgewachsen, Köchin und Absolventin der Hotelfachschule Zürich. Sie war es, die in Luzern kulinarische Diversität vermisste und die Vision eines marokkanischen Restaurants hatte. Hamid war skeptisch, ob das den Leuten hier vielleicht zu fremd ist. Das Glück war auf ihrer Seite, als sie vor 13 Jahren das Lokal in einem Eckhaus im Luzerner Neustadtquartier übernehmen konnten. Lavinja tüftelte und telefonierte mit Hamids Mutter in Casablanca für die authentische Note der Gerichte. Und immer, wenn sie zu ihr nach Marokko fahren, blickt Lavinja in ihre Töpfe. Das gefällt den Menschen, die im «Barbès» essen. Viele von ihnen sind längst Stammgäste geworden.

Die gleiche Leidenschaft, die Lavinja für die Küche aufbringt, zeigt Hamid an der Front. Ohne ein gutes Team geht es aber nicht, dazu ist zu viel los. Fotografin Evelyn und ich kochen heute mit Fatima Zihammou. Die 31-Jährige kommt aus Marrakesch und lebt seit drei Jahren in der Schweiz. Sie vermisse Marokko ein wenig, sagt sie, die Kultur hier sei doch ganz anders. Heimatgefühle kämen aber immer dann auf, wenn sie koche. In einer marokkanischen Küche sei die Mutter die Chefin, die Töchter würden mithelfen, erzählt Fatima. Die Männer liessen sich nur in der Küche blicken, wenn das Essen auf dem Tisch fehle.

Heute kommt Couscous auf den Tisch. Was bei uns eher als simple Beilage oder Grundlage für Salat bekannt ist, ist in Marokko die Bezeichnung eines ganzen, köstlichen Gerichts. Traditionell wird Weizengriess in aufwendiger Arbeit mit den Handflächen zu den bekannten Kügelchen gerieben und dann lange gegart. Dazu steht auf dem Herd die spezielle Couscousière bereit. Im grossen unteren Topf brutzeln bald klein gehackte Zwiebeln und Tomaten in Olivenöl. Fatima streut die Gewürze hinein, gibt Wasser dazu. Die Sauce dampft. Der Duft der nordafrikanischen Würzmischung Ras el-Hanout transportiert uns über die Strasse von Gibraltar und hinein in eine Kultur, in der die Gemeinschaft der Grossfamilie grossgeschrieben wird. Gegessen wird dort zusammen, um einen Tisch, von einem Teller. «Freitag ist Couscous-Tag», erzählt Fatima. Was hier der Sonntag ist, ist in dem muslimischen Land der Freitag. Nach dem Freitagsgebet in der Moschee machen sich die Frauen an die aufwendige Couscous-Zubereitung.


Traditionell kommen sieben Gemüse in ein Couscous. Diese können variieren. In grosse Stücke geschnitten, landen zuerst die Karotten in der blubbernden Sauce. In einer grossen Schüssel vermengt Fatima das Couscous mit etwas Olivenöl, damit es noch besser duftet. Das kommt jetzt in den Siebaufsatz über dem dampfenden Sud. Deckel drauf und Geduld haben. Nach und nach gibt Fatima das restliche Gemüse in die Sauce. Weil man in Marokko traditionell von Hand isst, wird das Gemüse sehr weich gekocht, sodass man es gut mit der Hand in Brocken teilen und mit dem Couscous vermengt in Häppchen essen kann. Im «Barbès», wo man das Couscous als Einpersonengericht bestellen kann und dem Gast Besteck zur Verfügung steht, wird das Gemüse bissfester zubereitet. Das fertige Couscous wird auf einer grossen runden Platte zu einem konischen Haufen aufgeschichtet. In der Mitte formt Fatima eine Vertiefung aus. Hinein kommt Sauce mit reichlich Kichererbsen, die Gemüsestücke werden um den Kegel herum drapiert – und zwar so, dass jede Person am Tisch von allem etwas bekommt. Denn zwar essen alle vom selben Teller, aber nur vom eigenen «Stück» von aussen zur Mitte hin. Ein besonders leckeres Stück von der Seite des Tischnachbarn zu stibitzen, ist tabu.

Schliesslich, nachdem uns der orientalische Duft in der Küche längst «gluschtig» gemacht hat, dürfen wir das Couscous probieren. Zwar sitzt nicht eine ganze Familie um den Tisch, aber immerhin essen wir zu zweit von einem Teller, mit Löffel, jede von ihrer Seite gegen die Mitte hin. Das Couscous ist luftig und schmeckt würzig, gut ausbalanciert und leicht exotisch. So fügt sich alles stimmig zusammen – wie ein buntes marokkanisches Mosaik.

Rezept: Couscous mit Gemüse (für 4 Personen)

3 Karotten

1 Zucchetti

1 Steckrübe (gelb oder weiss)

1 Kohlrabi

200 g Kohl

200 g Kürbis

250 g Kichererbsen (gekocht)

2 Zwiebeln

4 Tomaten

6 Zweige Petersilie und Koriander

3 TL Salz

1 TL Pfeffer

1 TL gemahlener Ingwer

1 ½ TL Ras el-HanoutGewürzmischung

3 EL Olivenöl

¼ TL Smen oder Ghee

700 g Couscous (um das Rezept zu vereinfachen, wird der handelsübliche, vorgekochte Couscous verwendet)

 

Gemüse rösten und klein schneiden, nach Garzeit separieren. Zwiebeln und Tomaten klein hacken und im Olivenöl glasig dünsten, Salz und Gewürze dazugeben. Das festkochende Gemüse dazugeben. Dann Wasser dazugeben bis das Gemüse bedeckt ist. Petersilie und Koriander zu einem Bündel geschnürt dazugeben. Köcheln lassen und später das restliche Gemüse und die Kichererbsen dazugeben, bis alles weich ist. Je nach Geschmack kann Smen am Schluss hinzugefügt werden. Den Couscous wie auf der Verpackung beschrieben vorbereiten. Danach anrichten wie im Text beschrieben.
 


In der Serie «Weltküche» blickt das Globetrotter-Magazin Köchinnen und Köchen aus aller Welt, die in der Schweiz Spezialitäten aus ihrer Heimat kochen, bei der Arbeit über die Schulter.

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