Unterwegs in Finnland und Norwegen
Unterwegs zum «Dach des Nordens» begegnen einem auch mal halbe Häuser.

Eine Reise zum Dach Europas

 |  Reisebericht

«Die Landschaft verändert sich mit den zunehmenden Breitengraden. Bald prägt Holz die Aussicht aus den Zugfenstern: Wälder und gefällte Baumstämme wechseln sich ab.» Unsere Mitarbeiterin Laura Pelusi nimmt Sie mit auf ihre letztjährige Reise nach Finnland und Norwegen – von Helsinki reist sie via Nordkap nach Tromsø. Was sie nun über Holz, Nordlichter und Rentiere weiss, teilt sie mit Ihnen. 

Meine Studienreise startet ab Bern. Frühmorgens steige ich in den ICE und fahre nach Hamburg. Hier steige ich auf einen Regionalzug um bis nach Lübeck. Die norddeutsche Stadt entzückt mit ihren Bauten im Stil der Backsteingotik und lädt zum Verweilen ein. Am Abend nehme ich den Bus zum Hafenterminal Travemünde, hier folgt die Einschiffung auf die Fähre von Finnlines. Von Passagier*innen zu Fuss, über Feriengäste mit dem Privatauto und bis hin zu Lastwagenfahrern – alle steigen ein.


Ankommen in Helsinki

Die erste Nacht verläuft ruhig und der Tag darauf gemächlich: Wir reffen um zirka 10 Uhr Lokalzeit im Hansa-Terminal bei Helsinki ein. Ein Shuttle bringt die Passagier*innen bis zur nächsten Metrostation und 15 Minuten später steige ich im Zentrum von Helsinki aus.

Der Weg zum «Original Sokos Hotel Presidentti» ist kurz. Ich deponiere das Gepäck und unternehme einen umfassenden Stadtrundgang. Helsinki ist mit rund 665'000 Einwohner*innen die grösste Stadt Finnlands (zum Vergleich Zürich: 447'082, Stand 2023). Dennoch ist die Stimmung in der Hauptstadt entspannt, das Stadtbild ist von vielem Grün und einer bunten architektonischen Mischung geprägt: Der «Tuomiokirkko» oder Dom von Helsinki ist das berühmteste der vier Bauten des deutschen und einflussreichen Architekten Carl Ludvig Engel. Unweit des Doms thront auf einem Hügel die Uspenski-Kathedrale. Sie bringt einen russischen Akzent in die Stadt und erinnert an dessen vergangene Herrschaft.

Die Stadt unter der Stadt

Bei der Temppeliaukio-Kirche kann es tatsächlich vorkommen, dass man den Eingang einen Moment lang sucht, denn das architektonische Meisterwerk ist förmlich in einen Felsen gemeisselt. Und die Kamppi-Kapelle erinnert an einen gigantischen und massiven Fichtenstamm. All jenen, die etwas mehr Zeit zur Verfügung haben, empfehle ich, nebst den einzigartigen Kunst-Museen und Bibliotheken auch einen Abstecher ins «Untergeschoss» der Stadt. Was es mit den unterirdischen Anlagen Helsinkis auf sich hat, lesen Sie im NZZ-Artikel.

NZZ-Artikel lesen


Bis zum «Tor der Arktis»

Nach einem eindrucksvollen Aufenthalt in der Stadt verbringe ich den darauffolgenden Tag im Zug. Ich fahre von Helsinki direkt bis zum «Tor der Arktis», nach Rovaniemi. Der Zug ist komfortabel, verfügt über diverse Klassen und hat ein grosszügiges Bordrestaurant. Die Landschaft verändert sich mit den zunehmenden Breitengraden. Bald prägt Holz die Aussicht aus den Zugfenstern – Wälder und gefällte Baumstämme wechseln sich ab. Finnisches Holz ist aufgrund der langsamen Wachstumsperioden in den hohen Breitengraden weltweit als eines des qualitativ besten Holzes bekannt.


Holz und Bedeutung für die Wirtschaft

Holz ist ein traditioneller und auch zukünftig ein Hauptpfeiler der finnischen Wirtschaft (zirka 20 Prozent der finnischen Umsätze fallen in der Holzindustrie an und etwa 16 Prozent der Arbeitsplätze sind diesem Sektor zuzuschreiben). Die Wälder setzen sich je nach Breitengrad aus Fichten, Tannen, Lärchen, Birken und Polarkiefern zusammen. Finnland hat mit rund 23 Millionen Hektar die grösste Waldbedeckung Europas. Rund ¾ des Landes sind mit Wald bedeckt, davon ist 60 Prozent im Privatbesitz. Die Waldfläche betreten, Beeren und Pilze sammeln oder in einem See oder Fluss angeln, dürfen aber alle (sog. «Jedermannsrecht»). Private Besitzer*innen erhalten vom Staat Unterstützung, um Verbesserungsmassnahmen zum Erhalt des Waldes oder zum Naturschutz vorzunehmen. Private Besitzer*innen verkaufen ihr Holz auch an Verarbeitungsfirmen. Verarbeitet wird das Holz in erster Linie zu Zellstoff oder zu Roh-, Schnitt- und Span-Holz.


Die Hauptstadt Lapplands

In Rovaniemi treffe ich meine Reisepartner*innen. Wir übernachten im schönen «Original Sokos Hotel Vaakuna». Obwohl der Schnee noch fehlt, verfalle ich in der Gegend von Rovaniemi fast schon ein bisschen in Vorweihnachtsstimmung. Die Hauptstadt Lapplands hat sich wohl nicht um sonst zur offiziellen Stadt von Santa Klaus erkoren. Im Weihnachtsmanndorf direkt am Polarkreis ist jeden Tag im Jahr einen – oder vielleicht doch «den»? – Weihnachtsmann anzutreffen.

Wir sind mit dem Auto unterwegs und fahren weiter nordwärts vorbei am Golddorf von Tankavaara bis nach Ivalo. Was es mit dem Goldrausch auf sich hat und in welchem Zusammenhang es mit der Rentierzucht steht, bringt die Kurzdoku von ARTE näher.

Kurzdoku ansehen

Nordlicht

In Ivalo und Inari komme ich aus dem Staunen kaum heraus; eine Unterkunft ist magischer als die andere. Wunderschöne Lodges im skandinavisch minimalistischen Stil laden ein, das Nordlicht aus dem Panoramafenster direkt vom Bett aus zu beobachten, nachdem ich die wohltuende finnische Sauna genossen habe. Zum Abendessen gibt’s den Blick auf den mystischen Inarijärvi See gratis dazu.


Das Nordkap

Unsere Reise führt weiter via Russenes nach Honnigsvåg bis zum Nordkap. Das Nordkap (71°10'21''N) liegt auf der Insel Magerøya, Norwegen, und ist einfacher zu erreichen als der effektiv nördlichste Punkt des europäischen Festlandes. Dieser liegt auf derselben Insel, auf der Landzunge Knivskjellodden, ist allerdings nur über eine Wanderung zu erreichen und kann zudem schwer mit dem Erscheinungsbild der Nordkap-Klippen mithalten.

Um also ans Nordkap zu kommen, bietet es sich an, beispielweise in Honnigsvåg zu übernachten und mit dem Auto oder dem Linienbus (45 Min) einen Ausflug zu den spektakulären Klippen zu unternehmen. Wer die Mitternachtssonne mit Aussicht auf die Barentssee und das Europäische Nordmeer geniessen will, reist in den Monaten Mai bis Juli in den Norden (muss dann allerdings auch mit deutlich mehr Reisenden vor Ort rechnen).

Erstes Nordlicht

Auf der Dachterrasse des Hotels in Honnigsvåg montieren wir spätabends noch unsere Kameras auf den Stativen. Es ist kalt, nass, neblig aber eben auch windig. Wir warten geduldig darauf, dass sich die Wolken verziehen. Plötzlich bahnt sich da ein Licht am Himmel an. Oder ist es doch nur ein Wolkenschleier? Kamera ausrichten, abknipsen und warten, bis sich die Linse mit Licht vollsaugt. Nein, da ist tatsächlich ein grünlicher Streifen am Himmel zu erkennen – mein erstes Nordlicht.


Revontulet

Was bedeutet das Nord- respektive Polarlicht? Bei dieser Frage trennen sich die Gemüter. Von irdischen Manifestationen der nordischen Götter, über den Atem von gefallenen Soldaten, bis hin zu den Seelen der Toten oder gar zum schlechten Omen für die Samen (indigenes Volk) – die Mythen und Legenden sind schier unerschöpflich. In Finnland wird das leuchtende Phänomen «Feuerfuchs» (fin: Revontulet) genannt, und wird auch mit Polarfüchsen assoziiert. Einer Legende zufolge sollen rennende Polarfüchse mit ihren Schwänzen Schneeflocken bis hoch in den Himmel aufwirbeln und das Mondlicht reflektieren, das dann das mystische Nordlicht zum Vorschein bringt.


Ruhige Rentiere

Am folgenden Tag warten die nächsten 334 Kilometer auf uns: Auf der Fahrt nach Alta wechseln sich herbstliche Weiden und Wälder mit den imposanten Fjorden ab. Der Herbst legt sich wie einen roten Teppich über die Landschaft. Ab und zu können wir einzelne Rentierherden in der Ferne ausfindig machen und dann spaziert plötzlich wieder eines gemächlich der E6 entlang. Von den vorbeifahrenden Autos lässt es sich definitiv nicht aus der Ruhe bringen. Den schwarzen Dingern mit einem glasigen Auge, die wir urplötzlich aus den Fenstern in seine Richtung heraushalten, traut es allerdings nicht ganz.


Die Rentiere Lapplands

Sie sind semidomestiziert, haben also grundsätzlich eine natürliche Scheu vor Menschen bewahrt. Zu den natürlichen Feinden zählen Luchse, Wölfe oder Bären, denen sie dank ihrer Flinkheit entweichen können. Die Rentierjagd in Lappland ist streng reguliert, da die Tiere fast ausnahmslos Züchter*innen gehören. Das sind vor allem Samen, Nachfahren der Urbewohner*innen des skandinavischen Nordens. In ihrem kulturellen Selbstverständnis und im finanziellen Auskommen spielen die Tiere nach wie vor eine zentrale Rolle.

Die Zucht ist zeitintensiv und bestimmt folglich den Jahreskalender mit: Im Frühjahr werden Rentierkälber geboren, die dann im Sommer markiert werden. Im Herbst steht die Bullenschlachtung an, bevor die Aufteilung in Winterweidegruppen erfolgt. In den Wintermonaten verweilen die Tiere auf den Weiden oder Gehegen nahe Ihrer Züchter*innen. Wenn die Schneedecke langsam zu schmelzen beginnt werden die Rentiere zu den Sommerweiden getrieben. 


Drei Reisehöhepunkte

In Alta besuchen wir das «World Heritage Rock art centre». Entlang von Gehwegen entdecken wir 2'000 bis 6'200 Jahre alte Felszeichnungen (UNESCO-Welterbe), die das Leben von Jägern und Sammlerinnen beschreiben. Ein Museum und Kunstaustellung gewähren weitere Einblicke in das historische Leben oberhalb des Polarkreises.

Winterlager für die Rentiere

Wir verabschieden uns vom majestätischen Alta-Fjord und fahren in Richtung Hochebene Finnmarksvidda. Unsere Reise führt uns zu einer weiteren wunderschönen Anlage in Sorrisniva und zur geschichtsträchtigen Silberschmiede von Juhl’s bis nach Kautokeino. Kautokeino ist die Hochburg der Samen in Norwegen. Zirka 85 Prozent der Einwohner*innen der kleinen Stadt sprechen die samische Sprache. Bereits vor der Sesshaftigkeit der Samen diente das heutige Kautokeino als Winterlager für die Rentiere und ihre Züchter*innen und als Verkehrsknotenpunkt. 

Meine Studienreise neigt sich schon bald dem Ende zu. Vorher bahnen sich aber nochmals drei Höhepunkte an: In Kilpisjärvi geniessen wir bei wunderbarem Herbstwetter den Ausblick auf das Dreiländereck von Norwegen, Finnland und Schweden. Auf der Fahrt nach Tromsø verschlägt es mir fast den Atem – nicht etwa wegen schlechten Strassen, nein, wegen den eindrucksvollen Bergen, die ins Meer ragen. Man könnte meinen, wir seien uns Bergen und Gewässer aus der Schweiz gewohnt. Aber diese Landschaft spielt in einer anderen Liga.

Und zum Abschluss Tromsø. Wir speisen in einem hervorragenden Restaurant und geniessen ein weiteres Mal die Geschmäcker des Nordens. Verabschieden tun wir uns bei Nordlichtern im Hafen der Stadt. Die Rückreise erfolgt mit einem Direktflug von Tromsø nach Zürich.



Eine individuelle Reise zum Dach des Nordens unternehmen?


Laura Pelusi berät Sie gerne. Ihre Empfehlungen:

«Ich habe die erste Hälfte des Septembers als eine sehr angenehme Reisezeit empfunden. Es ist bereits einige Stunden vollständig dunkel, bei klarem Wetter stehen die Chancen auf Nordlichter gut. Die Temperaturen liegen tagsüber oft noch über dem Gefrierpunkt, und die Herbstfarben in Moor, Heide und Birkenwald gleichen jenen aus dem Bilderbuch. Die Zeit zählt noch nicht zur Hochsaison. Folglich sind nicht viele Reisende unterwegs. Wer die Nordlichter ausgiebig geniessen möchte, berücksichtigt bei der Reiseplanung idealerweise:

  • Das Reiseziel liegt möglichst im Bereich des Polarlichtovals / oberhalb der geographischen Breite von 60°N, 
  • die Reise findet im Februar, März, September oder Oktober statt,
  • es wird genügend Zeit eingeplant, um die Chancen auf einen klaren Himmel zu erhöhen. Mind. eine, besser zwei Wochen.»

Gerne beraten wir Sie auch zu unserer «Cool Up»-Gruppenreise, die im März 2025 stattfindet. 

Reiseangebote

Europa — Natur, Kultur
Buchbar

Cool Up

Mit Andreas Lanz
14.03.2025 - 21.03.2025 (8 Tage)
Preis ab CHF 6'990.-