Der Coach und Personal Trainer Andreas Lanz spricht über seine Vision unter der Dusche, ein ganz besonderes Vitamin und warum er sich als «Sushi-Band» sieht.
«Das Leben lässt sich nicht nur denken»
Interview von Raphael Amstutz, freischaffender Journalist
Andreas Lanz, was antworten Sie, wenn Sie gebeten werden, in drei Sätzen zu erklären, was Sie tun?
Andreas Lanz: (überlegt) Drei Sätze? Das ist nicht einfach. Ich bin Unternehmer in der Gesundheitsbranche und unterstütze Menschen dabei, ihr volles Potenzial zu entfalten. Mein Ziel ist es, das Gleichgewicht zwischen Körper und Geist zu fördern, um ein erfülltes Leben zu führen.
Warum tun Sie das, was Sie tun?
Das liegt an meiner eigenen Geschichte. Ich war im Schwingen als Spitzensportler aktiv, habe es jedoch nie bis ganz nach oben geschafft. Dabei habe ich meinen Körper oft ignoriert und mich regelmässig verletzt. Ich habe zu wenig auf mich gehört und wollte in erster Linie andere zufriedenstellen.
Mit der Zeit erkannte ich: Mein Training war falsch, meine Überlegungen waren fehlerhaft, und meine Schlüsse waren nicht die richtigen. Mit meinem ganzheitlichen Ansatz möchte ich sicherstellen, dass meine Kund*innen nicht die gleichen Fehler machen. Ich sage ihnen oft: «Ich bin wie ein «Sushi-Band» und biete dir verschiedene Zugänge und Werkzeuge an. Unterschiedliche Häppchen ziehen an dir vorbei, und du wählst, was zu dir passt. Und vergiss nicht: Würze deine Wahl nach deinem eigenen Geschmack.»
Sie waren, wie erwähnt, Spitzenschwinger. Es gibt diesen Satz: «Sportler sind besonders gut darin, nach Niederlagen wieder aufzustehen.» Der ist wahr, aber auch ein wenig ausgelutscht. Darüber hinaus: Ist es für Ihre Arbeit eigentlich ein Vorteil, wenn man früher Sportler war?
Nein, man muss nicht zwingend Sport auf diesem Niveau betrieben haben. Trotzdem hat es mir geholfen, da Sportler*innen nicht nur lernen, Niederlagen zu akzeptieren, sondern auch gestärkt und fokussierter daraus hervorzugehen. Der Sport hat mir viel über Disziplin und die Kraft mentaler Fähigkeiten beigebracht.
Jemand möchte Achtsamkeit und Selbstdisziplin besser in seinen Alltag integrieren, schafft es aber irgendwie nicht. Ganz praktisch: Wie gelingt der Schritt vom Wollen zum Tun?
(lacht) Ein einfaches Patentrezept gibt es nicht. Zudem bin ich kein Freund von pfannenfertigen Ratschlägen. Lieber teile ich meine eigenen Erfahrungen und gebe weiter, was ich selbst durchlebt und gelernt habe.
Was haben Sie erlebt?
Dass es zum Beispiel nichts bringt, alles auf einmal auf den Kopf zu stellen. Mir helfen fünf konkrete Schritte: Erstens, Mikrogewohnheiten einführen. Es geht nicht darum, wenige grosse, überwältigende Schritte zu machen, sondern viele kleine. Zweitens: Routinen festlegen. Es ist entscheidend, über einen längeren Zeitraum dranzubleiben. Drittens: Rechenschaft ablegen. Der Austausch mit Gleichgesinnten auf Augenhöhe hilft, sich gegenseitig zu motivieren.
Viertens: Belohnungen setzen. Positive Veränderungen feiern. Und schliesslich: Fehler akzeptieren. Viele von uns sind mit dem Glauben aufgewachsen, dass Fehler das Schlimmste sind – davon dürfen wir uns lösen.
Beim Unterwegssein gibt es immer wieder Rumpler. Was soll man tun, wenn man einmal nicht in die Gänge kommt?
Auch hier gilt: Es gibt keine Ratschläge, die für alle gleichermassen funktionieren. Wenn es rumpelt, ist es wichtig, genau hinzuschauen: Warum gibt jemand auf? Liegt es an der Angst, oder sind zu starre Regeln hinderlich? Ist jemand übermotiviert, oder spielt Misstrauen eine Rolle? Es lohnt sich, in solchen Momenten Zeit zu investieren und sich allenfalls von einem externen Sparringpartner spiegeln zu lassen: Wo stehe ich mir selbst im Weg?
Wie gelingt es, Körper und Geist langfristig im Einklang zu behalten?
Früher hätte ich diese Frage völlig anders beantwortet. In den letzten fünf bis zehn Jahren habe ich erkannt, dass das eine ohne das andere nicht funktioniert. Es nützt nichts, ständig im Kopf zu sein und alles zu überdenken. Das Leben lässt sich nicht nur denken – es will erlebt werden.
Sie sind Instruktor der Wim-Hof-Methode. Diese hat der gleichnamige niederländische Extremsportler erfunden. Im Kern geht es um eine spezielle Atem-, Meditation- und Kältetechnik, die gesundheitsfördernd ist. Wann und wie sind Sie dieser Methode begegnet?
Auch das hängt stark mit meiner eigenen Geschichte zusammen. 2018 fragte mich ein Trainer, ob ich Wim Hof kenne. Als ich all die Rekorde sah, dachte ich zuerst: Das ist nichts für mich. Doch als meine Leberwerte aufgrund einer Autoimmunerkrankung in die Höhe schossen, erinnerte ich mich an die Methode und buchte einen Onlinekurs.
Nach zehn Wochen waren meine Werte wieder gesenkt. Bei mir hat es funktioniert, und die Methode gibt mir etwas, auch wenn ich nicht genau be- nennen kann, was es ist.
Was überzeugt Sie besonders daran?
Erstens: Seitdem ich die Methode anwende, hatte ich nie wieder eine Grippe oder Erkältung. Zweitens: Das Atmen, Meditieren und Eisbaden wirken bei mir wie ein Resetknopf. Ich werde gelassener, fokussierter, und mein Bewusstsein schärft sich. Ich kann mich von aussen beobachten und sehe, warum ich in gewissen Situationen so reagiere, wie ich es tue.
Sie haben vor bald zwanzig Jahren das Unternehmen TATKRAFT gegründet. Viele wünschen sich selbständig zu sein. Bei den meisten bleibt es beim Wunsch. Andere scheitern. Was sind Ihre Tipps, damit es gelingt?
Wenn ich alles hinterfragt hätte, hätte ich den Schritt wohl nie gemacht (lacht). Ich habe eigentlich nur einen Tipp: Vitamin SV.
Vitamin SV?
Vitamin Selbstverpflichtung. Es braucht ein 100-prozentiges Engagement. Es geht nicht darum, einfach irgendetwas zu tun, sondern es wirklich zu wollen. Wenn der Antrieb nicht von innen kommt, klappt es nicht. Ich habe noch nie so viel gearbeitet wie heute und war noch nie so zufrieden.
Hat sich in Ihrem Leben das meiste organisch ergeben oder gab es sogenannte Klick-Momente?
Es gab diesen einen Moment – 2004 unter der Dusche. Ich stand am Anfang meiner Karriere in der Landmaschinenbranche, als mir die Stelle als Geschäftsführer in einem Fitnessstudio angeboten wurde. Ich nahm sie an, was in meinem Umfeld, gelinde gesagt, auf wenig Begeisterung stiess. Nach dem dritten Tag einer Trainerausbildung hatte ich unter der Dusche plötzlich eine Vision: Ich will Personaltrainer werden.
Bald erscheint Ihr drittes Buch. Um was geht es?
Ich möchte zeigen, was Beständigkeit bewirken kann, und welches enorme Potenzial freigesetzt wird, wenn Körper und Geist im Einklang sind. Dazu will ich konkrete Wege aufzeigen: Schlaf, Atmung, unser Denken, Ernährung und körperliche Aktivität sind dabei zentrale Themen.
Jedes Jahr erscheinen tausende Ratgeberbücher. Was macht Ihres einzigartig?
Ich versuche, ein ganzheitliches Angebot zu machen. Dabei erfinde ich womöglich nichts Neues, sondern bringe bestehende Ansätze zusammen und teile vor allem meine Erfahrungen.
Am Schluss noch sechs kurze Fragen mit Bitte um kurze Antworten. Wovor haben Sie Angst?
Wenn ich bewusst unterwegs bin, habe ich keine Angst.
Was tun Sie am Morgen als Erstes?
Atemübungen, Meditation und Eisbaden.
Wofür fehlt Ihnen momentan die Zeit?
(lacht) Für das letzte Kapitel meines Buches.
Was ist die wichtigste Lektion, die Sie in Ihrem Leben gelernt haben?
Selbstverpflichtung ist unabdingbar.
Wofür sind Sie am meisten dankbar?
Dass ich der Vision, die ich damals unter der Dusche gehabt habe, allen Widerständen zum Trotz gefolgt bin.
Was können Sie besonders gut?
Mich selber reflektieren und die Erkenntnisse daraus und meine Erfahrungen weitergeben.
Mit Andreas Lanz unterwegs
Die Reise «Cool Up» findet vom 14. bis 21. März 2025 statt und führt in den arktischen Norden, nach Lappland. Auf dem Programm stehen Workshops zur Wim-Hof-Methode mit Andreas Lanz, Begegnungen mit Rentieren und das Beobachten von Nordlichtern. Laut Lanz hat die Reise den Charakter eines Retreats: «Während wir die Natur erkunden, machen wir auch eine Reise zu uns selbst.»