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Karl WrightLodge Manager Karl Wright

Zimbabwe: die Hoffnung will und will nicht sterben

Ein Text von Erich Gysling

Den Lodge-Manager Karl Wright in Zimbabwe kann nichts so schnell aus der Ruhe bringen. Dafür hat der 47jährige schon zu viele Krisen erlebt und durchgestanden: die Welle von Landenteignungen um das Jahr 2000, dann die Milliarden-Inflation in den Jahren 2008/2009 und noch ein paar kleinere „Verwerfungen“ davor und danach. Aber manchmal passiert dann doch etwas, das ihn kurzfristig irritiert – so die Ankündigung der Regierung vor Ende Juni dieses Jahrs, dass ab sofort keine US-Dollars mehr verwendet werden dürfen, dass, im Gegenzug Alles in der landeseigenen Währung beglichen werden müsse. „Landeseigen“ heisst: das Regime erfand eine Währung, die, je nach Auffassung, wenig oder fast gar nichts wert ist, auch wenn sie sich „Zimbabwe Dollar“ nennt und wenn die Zentralbank in Harare behauptet, dieser „Dollar“ sei dem US-Dollar gleich zu setzen.

Karl Wright war, glücklicherweise, am Tag des Währungsdekrets nicht in seiner eigenen Lodge, dem Rhino Safari Camp im Matusadona Park am Rand des Kariba-Sees (da gibt's keine Internetverbindung), sondern in Victoria Falls. Von hier aus konnte er per mail seiner Bank gleich die notwendigen Anweisungen geben. Die Zeit drängte, denn die Löhne für die zwölf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Camps wurden tags darauf fällig.

Mich, der ich ja nur als Begleiter einer „Background Tours“-Gruppe dabei war, stresste der Gedanke an solch zimbabwische Unwägbarkeiten offenkundig mehr als Karl – er habe sich an so was gewöhnt, sagte er, es sei schon viel schlimmer gewesen. Wann, wie? Nun, sagte er, beispielsweise 2008. Da musste sein Vater notfallmässig ins Spital, und weil man sich auf die öffentlichen Krankenhäuser nicht verlassen durfte, kam nur eine private Klinik in Frage. Geld gab es damals in Zimbabwe eigentlich keines – die Notenbank druckte Scheine mit dem Aufdruck von Billionen, aber diese Billionen waren buchstäblich gar nichts wert. In der Klinik musste mit US-Dollars bezahlt werden. Karl verkaufte einen grossen Teil seines Grundbesitzes, und er tat das, wie ich vermute, klaglos. Danach waren er und seine Frau Jenny, nach europäischen Massstäben, arm – aber sie arbeiteten sich wieder hoch. So lange, bis sie dachten, die Zeiten würden sich zum Besseren wenden.

Das war in der Endphase des Mugabe-Regimes, als sich ein Machtwechsel abzeichnete. Also 2016/2017. Dann übernahm Emerson Mnangagwa das Ruder, und es zeigten sich tatsächlich ein paar Hoffnungsschimmer. Was Karl und Jenny bewog, noch etwas mehr in ihre rustikale Hochqualitäts-Lodge zu investieren: ein, zwei Bungalows zusätzlich zumindest. Der Hoffnungsschimmer, so dachten sie, würde sich ja, über kurz oder lang, auch nach Übersee ausdehnen und dazu führen, dass Zimbabwes Image sich bei Individualreisenden und Tour Operators verbessern könnte.
Es gab tatsächlich etwas mehr Buchungen, mehr Interesse – aber das genügte nicht, um die Rhino Safari Lodge rentabel zu machen. Also „erfand“ Karl sich noch einmal und begann, neben dem Management der Lodge, Touren für Gruppen auf dem Zambezi und dem Kariba-See zu führen. Das tut er hoch professionell – was umso mehr erstaunen mag, als Karl Wright eigentlich, von der beruflichen Laufbahn her betrachtet, für eine solche Tätigkeit gar nicht „vorprogammiert“ war: Karl leitete ein Transportunternehmen, hatte viele Jahre lang sehr viele Angestellte und lernte dabei, u.a., die Tücken der Grenzen im südlichen Afrika kennen. Aber auch, und das hilft ihm heute, wie man auch dann noch an Diesel oder Benzin kommt, wenn es eigentlich weder das Eine noch das andere an den Tankstellen gerade gibt. Karl Wrights Rhino Safari Camp liegt, wie erwähnt, am Rande des Kariba Sees, auch gleich an Rande des Matusadona Parks (450 km2 gross).

Fährt man von seinem Camp (also, so heisst das Ganze – es ist, wie schon angetönt, eine Lodge mit rustikalem Komfort) mit dem Jeep herum, ist man mal innerhalb des Parks, mal etwas ausserhalb. Den Tieren ist es egal, ob sie innerhalb oder ausserhalb der unsichtbaren Grenze sind – Elefanten, Büffel, Antilopen, auch Löwen und andere Raubtiere laufen da relativ weitflächig herum. Die Menschen anderseits, die sich für einen Aufenthalt in einem der wenigen Camps am Rande des Parks entschliessen, können sich darauf einstellen: das ist nun wirklich noch „echte“ Natur. Es gibt wenige befahrbare Pisten, es gibt zum Park (vorläufig) keinen Landzugang. Wer hierher kommen will, hat zwei Varianten zur Auswahl: mit einem Boot ab Kariba (Schnellboote benötigen dafür etwa eineinhalb Stunden), oder mit einem Kleinflugzeug (es gibt eine Landebahn). Und dann? Klar, man kann mit einem Jeep Ausfahrten tätigen – man kann auch zu Fuss die Natur mitsamt der Tierwelt erkunden. Karl hat zwei Rangers, die mit den Touristen Fusswanderungen unternehmen, beide sehr gut geschult und erfahren. Wer sich dafür entscheidet, kann immer etwas Wunderbares erwarten – die Natur präsentiert sich aus dem Blickwinkel des Wanderers einfach total anders als aus jenem des Jeep-Fahrers: sie ist, auf nicht erklärbare Weise, immer näher, immer fast fassbar. Als wir letztes Mal das „walking“ unternahmen (Ende Juni), kamen wir sehr schön an eine riesige Herde Impalas heran – und konnten die Interaktion in der Gruppe unglaublich intensiv mit verfolgen. Ähnlich war's bei einer Büffelherde – die Tiere waren eben dabei, sich fürs Wiederkäuen hinzulegen. Wir achteten darauf, eine Respekts-Distanz einzuhalten – aber Tiere, die eine leitende Position innehatten (Alpha, Beta plus die so genannten Wächter, welche die Herde nach aussen schützen), wurden doch etwas nervös. Sie behielten uns auf jeden Fall lange Zeit im Auge. Und dann „hatten“ wir dann noch ein Nilpferd, das sich nach dem nächtlichen Fress-Ausflug in die leichte Anhöhe bei einer Baumgruppe verspätete und das plötzlich, rasant, losrannte, fünfzig Meter vor uns, in der direttissima (glücklicherweise!) direkt hinunter zum Wasser.

In solchen Momenten ist es wichtig, dass die Wandernden sich an die vom Ranger festgelegten Regeln halten – vor allem: dass sie schweigen und nicht herumrennen. Beachtet man das, ist das „walking“ in der Natur Afrikas nicht gefährlicher als, sagen wir, das Überqueren einer verkehrsreichen Strasse in einer europäischen Grossstadt. Heisst: eigentlich ungefährlich.

Als wir retour sind im Rhino Safari Camp, reden wir über die Zukunft. Wird Karl, zusammen mit Jenny, eines Tages sorgenfrei auf das Anlanden des nächsten Naturliebhabers aus Übersee warten, sich auf die nächste und übernächste Kleingruppe freuen können? Wird die Lage in Zimbabwe sich wirklich konsolidieren? Die beiden leben immer noch etwas von der Hoffnung. Ein, wie anfangs erwähnt, etwas besseres Image des Landes könnte, kann tatsächlich helfen, Zimbabwe für Europäerinnen/Europäer wieder attraktiver zu machen. Jeder, Jede, der/die kommt, hilft der lokalen Bevölkerung – die unter dem Mugabe-Regime unermesslich gelitten hat. Moralische Bedenken, der Tourismus stütze letzten Endes das Regime, kann man beiseite schieben: Die meisten Lodges, Camps, lokalen Tour operators arbeiten privat. Würden sie gemieden, müssten sie über kurz oder lang wohl aufgeben.